Der Autodidakt als freiberuflicher Unternehmensberater – und die Grenzen der Wissensprüfung

Eine erfolgreich bestandene Wissensprüfung führt nur dann zur Anerkennung einer freiberufsähnlichen Tätigkeit, wenn sie den Rückschluss auf den Kenntnisstand des Steuerpflichtigen in früheren Jahren zulässt; ob insoweit Zweifel bestehen, hat die Tatsacheninstanz unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalls zu beurteilen.

Der Autodidakt als freiberuflicher Unternehmensberater – und die Grenzen der Wissensprüfung

Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 GewStG unterliegt der Gewerbesteuer jeder stehende Gewerbebetrieb, soweit er im Inland betrieben wird. Gewerbebetrieb in diesem Sinne ist ein gewerbliches Unternehmen im Sinne des Einkommensteuergesetzes (§ 2 Abs. 1 Satz 2 GewStG). Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielt gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 EStG, wer ein gewerbliches Unternehmen betreibt. Dies ist der Fall, wenn eine selbständige nachhaltige Betätigung mit der Absicht, Gewinn zu erzielen, unternommen wird und sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt. Zudem darf eine solche Betätigung nicht als Ausübung eines freien Berufs anzusehen sein (§ 15 Abs. 2 Satz 1 EStG). Streitig ist zwischen den Beteiligten allein, ob der Unternehmensberater durch seine Tätigkeit einen freien Beruf in der Form eines beratenden Betriebswirts gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG ausgeübt hat.

Nach ständiger Rechtsprechung des BFH übt derjenige den Beruf des beratenden Betriebswirts i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG aus, der nach einem entsprechenden Studium oder einem vergleichbaren Selbststudium, verbunden mit praktischer Erfahrung, mit den hauptsächlichen Bereichen der Betriebswirtschaft -und nicht nur mit einzelnen Spezialgebieten- vertraut ist und diese fachliche Breite seines Wissens auch bei seinen praktischen Tätigkeiten einsetzen kann und tatsächlich einsetzt. Diesem Berufsbild eines beratenden Betriebswirts entsprechend liegt ein „ähnlicher Beruf“ nur dann vor, wenn er auf einer vergleichbar breiten fachlichen Vorbildung beruht und sich die Beratungstätigkeit auf einen vergleichbar breiten betrieblichen Bereich erstreckt[1]. Verfügt der Steuerpflichtige nicht über einen Abschluss als Absolvent einer Hochschule (Diplom), Fachhochschule (Diplom/graduierter Betriebswirt) oder Fachschule (staatlich geprüfter Betriebswirt), muss er eine vergleichbare Tiefe und Breite seiner Vorbildung nachweisen. Diesen Nachweis kann der Autodidakt durch Belege über eine erfolgreiche Teilnahme an Fortbildungsveranstaltungen oder ein Selbststudium, anhand praktischer Arbeiten oder durch eine Art Wissensprüfung führen[2].

Eine solche Wissensprüfung kann als ergänzendes Beweismittel allerdings nur dann in Betracht kommen, wenn sich aus den vorgetragenen Tatsachen zum Erwerb und Einsatz der Kenntnisse bereits erkennen lässt, dass der Steuerpflichtige im Streitzeitraum über hinreichende Kenntnisse verfügt haben könnte[3]. Denn zum einen weist die Examinierung Defizite im Hinblick auf die Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme auf. Zum anderen ist sie nur geeignet, den Nachweis über ein aktuell vorhandenes Wissen zu erbringen, so dass weitere Rückschlüsse auf den Kenntnisstand im Streitzeitraum notwendig sind.

In dem hier vom Bundesfinanzhof entschiedenen hat in der Vorinstanz das Finanzgericht München[4] im Wege der Beweiswürdigung nach § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO ausgeführt, es habe aufgrund des Sachverständigengutachtens mit Wissensprüfung (elf Jahre nach dem Streitzeitraum) und der vom Unternehmensberater im Streitzeitraum durchgeführten Arbeiten nicht die Überzeugung gewinnen können, dieser habe bereits im Streitzeitraum den erforderlichen (theoretischen) Ausbildungsstand einer betriebswirtschaftlichen Ausbildung in der Tiefe gehabt. Diese Würdigung des Finanzgericht ist für den Bundesfinanzhof revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

Für den Streitzeitraum 1996 bis Juni 2000 entspricht die Würdigung des Finanzgericht dem Sachverständigengutachten, das vor dem Ende der Einschreibung des Unternehmensberaters an der X-Fachhochschule dessen theoretische Kenntnisse in vergleichbarer Tiefe verneint.

Für den Streitzeitraum ab Juli 2000 hat das Gericht keine abweichende Entscheidung treffen müssen, denn seine Würdigung, für diesen Zeitraum einen entsprechenden Wissensstand ebenfalls nicht feststellen zu können, widerspricht weder den Denkgesetzen noch allgemeinen Erfahrungssätzen.

Soweit der Gutachter für den Streitzeitraum ab Juli 2000 angenommen hat, zum Ende der Immatrikulationszeit könne von einem einer betriebswirtschaftlichen Ausbildung in der Tiefe entsprechenden Kenntnisstand ausgegangen werden, weil der Unternehmensberater an der Fachhochschule die erforderlichen Kenntnisse habe erwerben „können“, zwingt dies entgegen der Revision nicht zu dem Schluss, der Unternehmensberater habe die Kenntnisse dort auch tatsächlich erlangt.

Das Finanzgericht hat hierzu ohne Verstoß gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze ausgeführt, der Umstand, dass der Unternehmensberater in diesem Zeitraum für ein Fernstudium der Betriebswirtschaftslehre eingeschrieben gewesen sei, ermögliche nach den Umständen des Streitfalls keinen Rückschluss auf die vorhandenen Kenntnisse. Denn der Unternehmensberater habe weder nach Ablauf der Regelstudienzeit noch eines daran anknüpfenden Betreuungszeitraums eine der erforderlichen Klausuren geschrieben noch die Abschlussprüfung abgelegt.

Gleiches gilt für die Würdigung des Finanzgericht zu der vom Unternehmensberater behaupteten Teilnahme an anderen Fortbildungsveranstaltungen, zu denen er keine Nachweise vorgelegt hat, und das anhand einer Literaturliste geltend gemachte Selbststudium.

Die Würdigung des Finanzgericht, es könne auch aus dem Tätigkeitsnachweis für die Streitjahre nicht auf den Kenntnisstand des Unternehmensberaters im Streitzeitraum schließen, ist revisionsrechtlich ebenfalls nicht zu beanstanden.

Auch praktische Arbeiten können einen Rückschluss auf den erforderlichen Kenntnisstand zulassen[5]. Denn unter bestimmten Umständen kann bereits aus der Art der Tätigkeit auf das Vorhandensein der entsprechenden Kenntnisse geschlossen werden[6]. Ein Erkenntnismittel kann auch die Vornahme einer Wissensprüfung sein, wenn sich bereits aus den vorgetragenen Tatsachen zum Erwerb und Einsatz der Kenntnisse erkennen lässt, dass der Unternehmensberater über hinreichende Kenntnisse verfügen könnte und ein Nachweis anhand praktischer Arbeiten nicht zu führen ist[7].

Im Streitfall ließen aber die konkret ausgeübten Tätigkeiten schon nach dem Sachverständigengutachten nicht den Schluss auf einen Ausbildungsstand des Unternehmensberaters in der ganzen Tiefe eines betriebswirtschaftlichen Studiums zu, wie das Finanzgericht ohne Verstoß gegen Denkgesetze und allgemeine Erfahrungssätze festgestellt hat.

Der Würdigung des Finanzgericht steht auch nicht die erfolgreich abgelegte Wissensprüfung entgegen.

Die Wissensprüfung bezieht sich auf die Feststellung der erforderlichen Kenntnisse im jeweiligen Streitzeitraum und bedarf für den Rückbezug eines Anknüpfungspunktes in oder vor den Streitjahren. Es bleibt der nach Durchführung einer solchen Wissensprüfung vorzunehmenden Beweiswürdigung vorbehalten festzustellen, ob im Einzelfall ein Rückschluss von den Ergebnissen der Prüfung auf den Kenntnisstand des Steuerpflichtigen in früheren Jahren aufgrund besonderer Umstände in Zweifel zu ziehen ist[8], ohne dass damit gegen das Gebot einer ordnungsgemäßen Sachaufklärung durch das Gericht gemäß § 76 Abs. 1 Satz 1 FGO verstoßen wird.

Das Finanzgericht hat im Streitfall auch die weiteren vom Unternehmensberater angeführten Beweismittel daraufhin geprüft, ob diese auf Grundlage der erfolgreichen Wissensprüfung des Jahres 2012 einen Rückschluss auf den Kenntnisstand in den Streitjahren zulassen und dies jeweils in nicht zu beanstandender Weise verneint.

Bundesfinanzhof, Urteil vom 20. Oktober 2016 – VIII R 2/14

  1. BFH, Urteile vom 13.04.1988 – I R 300/83, BFHE 153, 222, BStBl II 1988, 666, unter II. 2.; vom 02.09.1988 – III R 58/85, BFHE 154, 332, BStBl II 1989, 24, unter II. 3.a; vom 26.06.2002 – IV R 56/00, BFHE 199, 367, BStBl II 2002, 768, unter 1.; vom 28.10.2008 – VIII R 69/06, BFHE 223, 206, BStBl II 2009, 642, unter II. 3.f; vom 18.04.2007 – XI R 34/06, BFH/NV 2007, 1495, unter II. 1.[]
  2. BFH, Urteil in BFHE 199, 367, BStBl II 2002, 768, unter 1.[]
  3. BFH, Urteile vom 19.09.2002 – IV R 74/00, BFHE 200, 326, BStBl II 2003, 27, unter 2., und in BFHE 199, 367, BStBl II 2002, 768, unter 1.[]
  4. FG München, Urteil vom 26.02.2013 – 12 K 2562/10[]
  5. BFH, Beschluss vom 26.05.2010 – VIII B 224/09, BFH/NV 2010, 1650, Rz 8[]
  6. BFH, Beschlüsse vom 07.03.2013 – III B 134/12, BFH/NV 2013, 930, Rz 13; vom 22.04.2010 – VIII B 264/09, BFH/NV 2010, 1300, Rz 3[]
  7. BFH, Urteil vom 16.12 2008 – VIII R 27/07, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung -HFR- 2009, 898, unter II. 2.c aa, und BFH, Beschluss in BFH/NV 2013, 930, Rz 14[]
  8. BFH, Urteil in HFR 2009, 898, unter II. 2.d bb[]